Am 25. Mai 2023 war es endlich soweit: Die Lateinkurse der Jahrgänge 9, 10 und EF unternahmen gemeinsam unter der Leitung ihrer Magistri Diedrichs und Schevel eine Exkursion ins Römerlager Aliso nach Haltern am See.
Auf dem halbstündigen Fußmarsch zum Bahnhof Nordwalde, von dem aus es dann per Zug weitergehen sollte, konnten die Schülerinnen und Schüler schon erste Eindrücke in das Marschleben eines römischen Legionärs sammeln – auch wenn sie lange nicht so schwer bepackt waren :-).
Am ehemaligen Römerlager angekommen, empfing uns eine Historikerin des Museums freundlich und nahm uns zunächst mit in die Außenanlage. Das Museum ist auf den originalen Grundfesten des Lagers in Teilen nachgebaut. Uns wurde zuerst der Nachbau der Außenmauer gezeigt, die aus unbehandeltem Eichenholz besteht. Die Historikerin zeigte uns auf, wie die enge Zusammenarbeit zwischen Archäologen und Historikern die 1:1 Rekonstruktion möglich gemacht hatte. Interessant war die Anekdote, dass der Nachbau so akkurat ist, dass er originale Konstruktionsfehler nachgeahmt hat. Maurice fiel nämlich auf, dass die Holzbalken an ein zwei Stellen nicht parallel zueinander laufen. Gründe dafür sind vage, wir konnten aber mit dem wohlwollenden Nicken der Historikerin Folgendes vermuten: Die Soldaten sind keine Handwerker und verrichten ihre Arbeiten daher laienhaft. Sie haben von zwei Seiten aufeinander zu gearbeitet und deshalb stimmte die Abmessung nicht. Möglicherweise hatten die Soldaten am Abend vorher etwas zu viel gefeiert…
Wir erfuhren u. a. auch, warum dieses eigentlich als provisorisch gedachte römisches Marschlager von den Römern selbst befestigt und erweitert wurde: Die Römer hatten vor, im 1. Jh. n. Chr. unter Kaiser Augustus ihr Reich zu erweitern. Allerdings scheiterten sie an der heftigen Gegenwehr der Germanen. Diese Zeiten der kriegerischen Auseinandersetzungen werden als die Augusteischen Germanenkriege (zwischen 12 v. Chr. und 16 n. Chr.) bezeichnet. Wir erfuhren, dass im Lager Aliso eine der drei Legionen lagerte, die in der berühmten Varusschlacht (9 n. Chr.) untergingen.
Leon durfte im später im angrenzenden Schlaflager der Wachsoldaten sogar ein scutum halten und stellte fest, dass so ein Schild ganz schön groß und ganz schön schwer ist!
Nach der Führung durch die Außenanlage ging es in die Museumsausstellung hinein, wo uns die Historikerin anhand einer Karte die Ausbreitung des Römischen Reiches unter Kaiser Augustus zeigte. Anschließend erhielten wir eine informative Führung über die (mögliche) Hygiene in einem Römerlager.
Hier durfte Merle einmal das Marschgepäck eines Legionärs ausprobieren, indem sie es mehrere Meter schleppen durfte. Ihr Fazit: „Ganz schön schwer und schmerzhaft!“ Pia konnte dann den Winterwollmantel eines Soldaten anprobieren, mit dem sie dann vor Wind und Kälte geschützt war.
Wir erfuhren weiter, dass römische Soldaten nicht viel duschten, vielmehr schabten sie sich mit einer strigilis den Dreck von der Haut – und erhalten zugleich ein Peeling! (Daher kommt unser Wort Striegel.)
Im Lagerleben besitzt jeder Soldat einen engmaschigen Kamm, um dem Läusebefall Herr zu werden. Es hilft nur bedingt, da man ja auf engem Raum zusammenlebt. Zum Rasieren hatten die Soldaten ein einfaches, sehr scharfes Messer mit einem Griff aus Horn oder Knochen. Auf unsere Frage, warum sich die Soldaten keinen Bart stehen lassen: Die Haare oder sogar die Stoppeln allein stören und scheuern unter den Wangenklappen des Helmes.
Ein weiteres für uns verblüffendes Detail: Im Gepäck befand sich meist auch ein kleines Fläschchen Öl. Die Historikerin reichte unserer Gruppe mehrere Ölproben, die alle eine andere Geruchsrichtung hatten. Es hat Spaß gemacht, die Düfte zu erraten!
Zum Abschluss und als Highlight der Führung durften wir alle ein antikes Ärztebesteck in die Hand nehmen. Dieses bestand aus verschiedensten Werkzeugen. Sie waren notwendig, denn Soldaten verletzten sich zwangsläufig und als bedeutende Investition für den Römischen Staatsapparat erhielten sie die bestmögliche Versorgung. Ein Skalpell gab es, auch Knochensägen oder Hautschaber und andere merkwürdig aussehende Stielgerätschaften… Vieles von dem kennen wir auch von unserer heutigen modernen Medizin. Allerdings waren wir uns alle einig: Wir sind froh über unsere heutigen Narkosemethoden! Die Römer hatten nämlich keine außer einem Stock zum Draufbeißen, ein bisschen Alkohol oder Opium – meistens hofften die Ärzte, dass ihre Patienten vor Schmerzen ohnmächtig würden.
Ein bisschen Zeit hatten wir dann noch für einen schnellen Blick auf die Ausstellungsstücke und ein Huschen durch den Museumsshop, dann ging es für uns schon wieder mit dem Zug zurück zur KvG.
Wer sich einen kleinen Einblick in den Alltag der Legionäre und in die Arbeitsbereiche der modernen Archäologie verschaffen will, kann sich in der Webserie „Rom in Westfalen“ (https://www.youtube.com/watch?v=35T1qGL7tZc) informieren. Nichts geht aber über einen Besuch in persona! J
Scriptum est a magistra Schevel